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2016-08-21: Wenn wir zu blöd für Frieden sind - was kann die Bundeswehr dafür?

Oder: Von Gauck zu Frieden, wäre auch passend. Mehr dazu weiter unten. Erstmal zum Artikel, in dem es um die Ausstellung der Bundeswehr auf der Computerspiele-Messe gamescom.

Bildschirmfoto; zeigt den Artikel im Web-Browser
Hier geht's zum Artikel, auf den ich mich gleich beziehe:
https://www.dfg-vk.de/rekrutierungen-der-bundeswehr/keine-waffen-aber-panzer-auf-der-gamescom

Die Kritik der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen ist erstmal berechtigt. Angesichts der, aus meiner Sicht fragwürdigen, Einsätze, die unserer Bundeswehr abverlangt werden, heißt Werbung für die Bundeswehr eben leider auch Werbung für (aus meiner Sicht) fragwürdige Einsätze.

Doch warum ist das so?

Mein erster Gedanke zu dem Artikel war nämlich: Ich find's gut! Warum den Gamern (Computerspielern) die Fähgikeit absprechen, selbst zu denken? Ich fand sogar als Kind Panzer und Hubschrauber interessant und hab die gern aus der Nähe gesehen. Bin trotzdem Pazifist :D

Die Kritik an der Ausstellung fühlte sich also einerseits falsch, andererseits auch wiederum berechtigt an. Zwei Herzen in derselben Brust? Anlass, mal weiterzudenken und in mich reinzuhorchen, warum die beiden Herzen schlagen:

1.) Ein Herz für Frieden:

Die Bundeswehr leistete und leistet viele humanitäre Einsätze im Ausland. Im Inland unterstützt sie beim Katastrophenschutz. Soweit so schön. Aber:

Die Bundeswehr ist leider keine Friedensarmee (mehr) - sie trainiert den Einsatz von Nuklearwaffen; sie führt Krieg für den Handel - in unserem Namen. Mit Recht? Ja, mit welchem Recht eigentlich...

2.) Ein Herz für eine Armee von Bürgern für Bürger:

Die Bundeswehr ist keine schlechte Armee - sie macht das, was der Souverän verlangt.

Hätten wir eine Gesellschaft von Demokraten, könnten wir voller Stolz und Freude die Bundeswehr vorzeigen - weil wir als Gesellschaft entscheiden (lassen), was sie macht; weil sie uns dienen will -

Nochmal: Weil sie, die Bundeswehr uns dienen will - weil jeder Bürger in Uniform Dir und mir dienen will. Weil es jeder Zeit- und Berufssoldat geschworen hat - und zudem offenbar kein Heer von Soldaten diesen Eid eigenwillig gebrochen hat. Im Vergleich zu Politikern bleiben Soldaten in der Regel ihrem Amtseid treu. Weil sie es sich selbst auf die Fahne geschrieben haben - und sicher auch, weil sie, im Gegensatz zu Politikern, bestraft werden, wenn sie ihren Eid nicht einhalten.

Unser Grundgesetz kennt nur einen Souverän: Das Staatsvolk.

Alle Staatsgewalt geht von ihm aus. Nicht von der Bundeswehr (als Institution) und auch nicht von der Regierung. Die ist lediglich berechtigt, Politik für das Gemeinwohl zu machen. Es liegt am Volk, das zu überwachen - und den grundgesetzlichen Rahmen einzufordern.

Sogar Abstimmungen sind gemäß Grundgesetz eigentlich zu halten. Artikel 20 Absatz 2 stellt klar: Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. "Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen" ausgeübt. Tja, leider nicht. Dass es keine Abstimmungen auf Bundesebene z.B. über Auslandseinsätze gibt, verdanken wir der Regierung, einem Präsidenten, der die Bürger für zu dumm für Abstimmungen hält - und dem Staatsvolk, dass sich um Abstimmungen bringen lässt.

In der Presse lässt Gauck verlauten:

"Als ich vor vielen Jahren in die Politik kam, war ich ein Anhänger von Volksentscheiden", und weiter: "Inzwischen habe ich einige Erfahrungen damit gesammelt und sehe es differenzierter."

Dabei nimmt er Bezug auf den BREXIT-Entscheid im Vereinigten Königreich... darauf gehe ich gleich ein. Weiter lässt Gauck verlauten:

"Auf Bundesebene allerdings ist unsere repräsentative Demokratie die beste Antwort auf die komplizierten Probleme unserer Zeit."

Aha. Was heißt das im Klartext? Das:

Auf Bundesebene allerdings ist unsere repräsentative Herrschaft die beste Antwort auf die komplizierten Probleme unserer Zeit, weil ich das Volk für Demokratie-unfähig halte; und ihm nicht zutraue, sich überhaupt eine Meinung zu den komplizierten Problemen unserer Zeit bilden zu können.

Ein Präsident, der nichtmal in der Lage ist, die eigenen Erfahrungen richtig einzuordnen, hält deshalb dem Staatsvolk das grundgesetzliche Recht auf Abstimmungen (auf Bundesebene) vor? Was ist das, wenn nicht Verrat und Betrug um den grundgesetzlichen Rahmen?

Warum liest Gauck nichtmal bei den Experten; zum Beispiel dem OMNIBUS FÜR DIREKTE DEMOKRATIE, in dessen Newsletter eine ganz andere Erklärung für das BREXIT-Abstimmungs-Debakel geboten wird:

"Der Ursprung des Referendums ist eine Abstimmung die von der Regierung angesetzt worden ist und es waren parteiinterne Machtbewegungen, die auf diese Weise langfristig eingehegt werden sollten." (...)

"Deshalb wollen wir auch keine Plebiszite (Referenden) „von oben“, von der Regierung angesetzt. Auch die Schweizer mit Ihrer langen Erfahrung in Direkter Demokratie erlauben ihrer Regierung keine Referenden." (...)

"Leider werden plebiszitäre und direktdemokratische Volksabstimmungsverfahren oft nicht voneinander unterschieden, ..."

OK, wenn das für unseren Bundespräsident schon zu hoch ist, müssen Abstimmungen für's Volk ja die Hölle sein. Spaß beiseite. Hier noch kurz die Schlussfolgerung:

"Referenden sollte es nur in zweifacher Form geben:"
1. Von der Bevölkerung herbeigeführt
2. bei völkerrechtlich bindenden Verträgen und bei Grundgesetzänderungen.

Nun gut, Abstimmungen sind auch kompliziert - aber es kommt noch schlimmer. Gauck scheint nichtmal annähernd zu begreifen, wie Demokratie gelebt werden kann, wenn er äußert:

"Oft müssen schwierige Kompromisse gefunden werden, die mit Volksentscheiden nicht möglich sind."

Aha. Also sowas wie 'nen politischen und sachlich geführten Diskurs kann's in einer Gesellschaft nicht geben? Eine Gesellschaft, in der das nicht möglich ist, ist keine Demokratie.

Wenn Gauck unterm Strich also sagen will, wir Deutschen seien zu blöd für Volksabstimmungen - dann halte ich dagegen:

Was brauchen wir einen Präsidenten, der Defizite beim Leben einer Demokratie im eigenen Land erkennt - aber keine Verbesserung anstrebt; der die Gesellschaft und Politik nicht darauf stößt, zu einer demokratischeren Gesellschaft zu werden, sondern alles beim Alten lassen will; bei einer "Parlamentarischen Demokratie" - ohne Demokraten, weil er dem dummen Volk dann abspräche, überhaupt zu Demokratie fähig zu sein.

Demokratie ohne Demokraten ist was? In jedem Fall eine Herrschaft - ohne das Volk, über das Volk.

Vielleicht findet das Volk das ja gut, was ist dann so schlimm dran? - könnte man fragen. Und man könnte antworten: Nix... ist halt nur keine Demokratie. Parlamentarisch demokratischer Faschismus hört sich demokratisch an, und mag als ganz schön empfunden werden; ganz schön undemokratisch.

Fazit:

Der eigene Präsident rafft nicht, dass man Äpfel nicht mit Birnen vergleichen kann - die Regierung verweigert Abstimmungen auf Bundesebene - und das Staatsvolk lässt sich das treudoof gefallen; so könnte man das flapsig zusammenfassen, finde ich.

Deshalb plakativ fromuliert: Wenn wir als Gesellschaft zu blöd für Frieden sind, kann die Bundeswehr nix dafür - oder? :D


Eigentlich sollte der Ausflug hier zuende sein - doch wurde ich zwischenzeitlich mit der berechtigten Frage konfrontiert:

Kein Recht auf Volksabstimmungen auf Bundesebene?

Prof. Schachtschneider sagt: Doch! Andere sagen: Nö! Also, ran den Speck - Zeit, selbst nachzuschauen. Auf geht's!

"In Deutschland als repräsentativer Demokratie spielen Volksabstimmungen jedenfalls auf Bundesebene nur eine untergeordnete Rolle."

...heißt es bei der Bundeszentrale für politische Bildung, bpb (Quelle ist unten verlinkt). Klingt erstmal harmlos. Weiter geht's:

"Das Grundgesetz sieht Volksabstimmungen nur bei der Neugliederung des Bundesgebietes (Art. 29 Abs. 2 GG) und im Fall einer neuen Verfassung (Art. 146 GG) vor."

Schauen wir doch mal in die Artikel, zuerst Art. 29:

"Maßnahmen zur Neugliederung des Bundesgebietes ergehen durch Bundesgesetz, das der Bestätigung durch Volksentscheid bedarf."

Halten wir fest: Art. 29 verlangt(!) ausdrücklich einen Volksentscheid, wenn das Bundesgebiet neu gegliedert werden soll. OK, spricht das gegen andere Volksentscheide?

Wie sieht's in Art. 146 aus?

Ähnlich. Darin steht, dass sich das deutsche Volk eine neue Verfassung wählen darf.

Ja, aber...

...dann wird ja nirgendwo verboten, andere Volksentscheide zu machen. Wie kommt man dann darauf, sie seien nur für die Spezialfälle erlaubt?

Die seltsame Argumentation - die heutige Meinung, wie es bpb nennt - baut meines Wissens nach auf Folgendem auf: Artikel 29 und 146 sind die (wohl) einzigen Stellen im GG, an denen ein Volksentscheid ausdrücklich verlangt(!) wird.

Überall, wo es im GG nicht ausdrücklich verlangt wird, eine Abstimmung zu halten, da sei sie verboten...

Was man von dieser Argumentation halten soll, ...

sei Jedem selbst überlassen :D bpb nennt das die heutige Meinung - ungeachtet dessen, dass sie nichtmal von allen Experten geteilt wird, z.B. nicht Prof. Schachtschneider.

Schlimmer noch: Wenn das Grundgesetz unser(!) Grundgesetz ist, das unsere(!) bürgerlichen und menschlichen Rechte festhält - wer sollte das Grundgesetz lesen und verstehen können; nur Juristen - oder das Staatsvolk für das das Grundgesetz geschrieben wurde? Wie sollte Demokratie funktionieren; wenn nur Wenige das Grundgesetz deuten dürften?

Darf beim Mensch-Ärger-Dich-nicht auch nur Einer die Regeln lesen und allen Anderen sein Regelverständnis aufzwängen? Diskutieren und Missverständnisse ausräumen, OK - aber...

Willst Du Dir vorschreiben lassen, wie Du das Grundgesetz zu lesen und zu verstehen hast?

Zeit zum ‪Selber-Denken‬

Danke für's Lesen - ich hoffe, Dir hat der kleine Ausflug gefallen.

Einen guten Start in die Woche -
Bis zum nächsten Mal!

~ Michael


Quellen

Artikel der DFG vom 19.08.2016:
https://www.dfg-vk.de/rekrutierungen-der-bundeswehr/keine-waffen-aber-panzer-auf-der-gamescom

Grundgesetz Artikel 20 Absatz (2):
"Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt."
https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_20.html

Aussagen Gaucks im Artikel der Zeit vom 20.07.2016:
http://www.zeit.de/politik/2016-07/joachim-gauck-terrorismus-volksentscheid

Zum Vergleich, weil ich die BILD nicht als Primärquelle zitieren kann und will :D
https://www.euractiv.de/section/eu-innenpolitik/news/nach-brexit-votum-joachim-gauck-gegen-volksentscheide-auf-bundesebene/

Artikel beim Omnibus für direkte Demokratie vom 28.06.2016:
https://tools.emailsys.net/mailing/137/902516/0/ky7po9/index.html


Fragwürdige Auffassung zu Volksabstimmungen auf Bundesebene:
http://www.bpb.de/nachsch…/…/recht-a-z/23190/volksabstimmung

Grundgesetz Artikel 29:
https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_29.html

Grundgesetz Artikel 146:
https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_146.html


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